1989–2007 Michael J. Mihatsch
(*1943–)

1988 übernahm Michael Mihatsch, ein weiterer Schüler Zollingers die Leitung des Instituts für Pathologie und wurde 1989 zum Ordinarius gewählt.

Nach seinem Medizinstudium in Bonn und Freiburg i. Br. Hatte er ab 1970 seine Facharztausbildung am Institut für Pathologie Basel absolviert, wo er sich 1978 auch habilitierte. Nach der Ernennung zum Abteilungsleiter für Nierenpathologie 1984 wurde er ein Jahr später Extraordinarius und 1989 Ordinarius für Pathologie. Er förderte junge Studierende und Wissenschaftlerinnen sowie Wissenschaftler und fungierte ab 1990 als Präsident der Nachwuchskommission des Schweizerischen Nationalfonds in Basel. Von 2000 bis 2005 war er Vizedekan für Nachwuchsförderung. 2007 wurde Mihatsch emeritiert. Von 2007 bis 2013 wirkte er als Vorsitzender der Arbeitsgruppe für Nierenpathologie der Europäischen Gesellschaft für Pathologie, die ihn 2009 zum Ehrenmitglied ernannte. Mihatsch erhielt auch mehrere Wissenschaftspreise und Auszeichnungen.

In jungen Jahren: Karikatur von Prof. Dr. Paul Komminoth.

Später: Am Schreibtisch vor sich Devotionalien der Gäste aus nah und fern und links neben dem Namen der Künstlerin eine Apothekerflasche mit der Aufschrift Phenacetin.

In seine Amtszeit fällt die Neustrukturierung des Instituts in Abteilungen – Histopathologie (Autopsie, Biopsie, Al: J. Torhorst), Zytopathologie (Al: Peter Dalquen, gefolgt von L. Bubendorf, Neuropathologie (J. Ulrich, gefolgt von A. Probst, gefolgt M. Tolnay) Molekularpathologie (Al: F. Gudat, gefolgt von L. Terracciano) Al: Abteilungsleiter

Die Spezialisierung der Fachpathologen auf die Teilgebiete gastro-enterologische, Hämato, Knochen-, Kinder-, Neuro-, Uro- und Transplantationspathologie, also auf die von den Basler Kliniken gepflegten Schwerpunkte, wurde gefördert. Gleichwohl musste jeder Fachpathologe in der Lage sein, 75% des Untersuchungsgutes ohne Hilfestellung bearbeiten zu können.

Das Labor für gynäkologische Zytologie im Frauenspital und die Ophthalmopathologie des Augenspitals wurden in das Institut integriert, die Zusammenarbeit mit der Dermatologie intensiviert. Diese Organisation wird in der deutschsprachigen Pathologie allgemein als „Basler Modell“ bezeichnet.

Mit dem Institut für Rechtsmedizin wurde eine freundschaftlich kollegiale Zusammenarbeit eingerichtet, was u.a. in der Übernahme der Histopathologie-Technik für die Rechtsmedizin ihren Ausdruck findet.

Am 1. Januar 2000 wurde ein "Universitäres Departement für Pathologie beider Basel" gegründet, mit dem Ziel, das Schisma in der Gesundheitspolitik beider Basel durch Schaffung eines Netzwerks zu überwinden. Es misslang.

Die Arbeitsbelastung war hoch. Es wurden pro Jahr ca. 400 Autopsien durchgeführt, rund 50’000 Biopsien und Operationspräparate und mehr als 30’000 Zytologien befundet.

Das 150-jährige Jubiläum der Gründung des Instituts 2005 gab Anlass zu einem kritischen Rückblick und Ausblick auf das kommende Jahrzehnt.

Die Leitlinien des Instituts waren: Disziplin und höchste Leistungen in der Diagnostik, Enthusiasmus in der Lehre und bei der Förderung angehender Pathologinnen und Pathologen, Freiheit in der Forschung und Kooperationsbereitschaft mit Kliniken und anderen Instituten für Pathologie.

25 Pathologen wurden habilitiert, 9 wurden auf Lehrstühle berufen und zu Chefärzten gewählt: Holger Moch (Zürich), Guido Sauter (Hamburg), Mathias Jucker (Hirnforschung, Tübingen), Gad Singer (Kantonsspital Baden), Markus Tolnay (Basel), Volker Nickeleit (Nierenpathologie, Chapel Hill, USA), Bernhard Ryffel (Immunologie, Orleans & Kapstadt), Luigi Terracciano (Pathologie, Universität, Mailand), Philip Went (Pathologie Graubünden, Chur).

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Jahr 2005.

Weitreichende positive Folgen für die Schweizer Bevölkerung hatte die Forschung nach den Ursachen der krankhaften Veränderungen der Niere, die nach dem übermässigen Gebrauch von rezeptfrei vertriebenen Schmerzmitteln mit Phenacetin auftraten. Rund 30% aller Patienten, die in der Schweiz einer Nierenersatztherapie – Dialyse oder Nierentransplantation – bedurften, hatten eine Phenacetinniere. In Basel waren es sogar zeitweise 50%. Es gelang einer ganzen Generation von Basler Pathologen, F. Gloor, S. Scheidegger, J.Torhorst, H. U. Zollinger und zuletzt M. J. Mihatsch – nachzuweisen, wie die schwer geschädigte Phenacetinniere (Analgetikanephropathie) zustande kommt.

Typische Kapillarosklerose bei Phenacetinabusus.

Mihatsch und Kollegen konnten den Wirkstoff Phenacetin als Auslöser der Analgetika-Nephropathie und der malignen Harnwegstumoren identifizieren. 1986 wurde Phenacetin als Inhaltsstoff von Schmerzmitteln verboten und durch andere harmlosere Wirkstoffe ersetzt. 20 Jahre später war die Phenacetinniere (Analgetikanephropathie) in der Schweiz und in Europa verschwunden. Junge Ärzte kennen diese Erkrankung heute gar nicht mehr. Dass Pathologen eine Erkrankung durch ihre Forschung eine Krankheit ausrotten können, ist möglicherweise einzigartig.

In den achtziger Jahren machte die Organtransplantation dank des äusserst potenten Immunsuppressivums Cyclosporin A enorme Fortschritte. Allerdings traten erhebliche Nierenschäden auf, die den Transplantationserfolg minderten. Hier zeigte sich erneut, dass der Paracelsusspruch «allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist» gilt. Wir konnten zeigen, in welchen Dosen Ciclosporin Nierenschäden verursacht. Nicht alle waren über diesen Befund glücklich, und Mihatsch musste eine Zeit lang den Vorwurf aushalten, den Ruf eines doch so vielversprechenden Medikaments beschädigen zu wollen. Doch die Beschreibung der Cyclosporin-Toxizität eröffnete erst recht der Möglichkeit, sie zu vermeiden, und zahllose Nierentransplantate vor bleibendem Schaden zu bewahren.