1967–1980 Hans-Ulrich Zollinger
(*1912–†1990)

Hans-Ulrich Zollinger ab-solvierte sein Medizinstudium in Zürich, und schrieb seine Dissertation bei von Meyenburg. Nach seiner Dissertation 1938 wurde er Oberarzt am Institut für Pathologie der Universität Zürich. Anschliessend arbeitete er als Chefarzt des Instituts für Pathologie am Kantonsspital St. Gallen. 1963 wurde er zum Ordinarius für Pathologie der Universität Freiburg im Brsg. und zum Direktor des Ludwig-Aschoff-Hauses gewählt. Zu Beginn der Studentenunruhen amtete er als Dekan und erwarb dabei das Rüstzeug, um später in Basel während seiner Zeit als Rektor — 1974 und 1975 — gelassen und verständnisvoll auf die Studentenproteste zu reagieren. Aber schon 1967 folgte er dem Ruf nach Basel als Ordinarius und Vorsteher des Instituts für Pathologie an der Universität Basel. Die Freiburger Studentenschaft versuchte ihn durch einen Fackelzug zum Bleiben in Freiburg zu bewegen. Aber ohne Erfolg. Am Ende des Fackelzugs bedankte er sich und schloss die Ansprache an die Studenten mit den Worten: „Wenn die Heimat ruft, dann hat ein Schweizer zu folgen».

In seine Amtszeit fällt der Neubau des Instituts in Basel. Die Pläne konnte Zollinger von Werthemann übernehmen, der ein Jahrzehnt lang ein neues Institut geplant hatte, stets in der Hoffnung, es auch in seiner Amtszeit noch beziehen zu können. Der Neubau konnte schliesslich 1971 bezogen werden.

„Die Baukommission spekulierte damit, dass ein neuer Ordinarius die Planungen seines Vorgängers nicht akzeptieren könne“. Als Hans Ulrich Zollinger die Pläne sah, war er jedoch begeistert und akzeptierte sie ohne Änderungen. Damit musste das Institut gebaut werden. Aus Kostengründen verzichtete Zollinger auf den Einbau einer Klimaanlage, was sich als bleibender Nachteil erwies." (Michael Mihatsch, Institutsvorsteher 1989–2007). Der Bezug fand im November 1971 statt. Die Chronik berichtet, dass die Institutsangehörigen zum Teil auf Handkarren ihre wertvollen Instrumente vom alten Haus an der Hebelstrasse auf die andere Seite (jetzt Schönbeinstrasse Nr. 40) transportierten.“

Für Zollinger galt wie für Werthemann eine engagierte Tätigkeit in der klinischen Pathologie alles. Der Auf- und Ausbau von neuen Methoden (Elektronenmikroskopie, Immunhistologie, später Enzymhistochemie, Immunhistochemie, Morphometrie und Zytologie) wurden engagiert vorangetrieben und die Resultate in die diagnostische Arbeit integriert.  

Architekturphoto nach Fertigstellung des Instituts 1971. Architekten: Gass+Boss
So sieht Cornelia Ziegler (bekannte Basler Künstlerin) das Institut.

Institut für Pathologie im Herbst, nach Aufhebung des Parkplatzes vor dem Institut und Anlage eines kleinen Parks.

Zollingers besondere Leistung bestand jedoch in der Förderung der Spezialisierung in der Pathologie. Er war überzeugt, dass auch der beste Pathologe nicht mehr alle Fachgebiete beherrschen könne. So ist es nicht verwunderlich, dass er die Neuropathologische Abteilung schuf, die Kinderpathologie förderte, die Abteilung für Zytopathologie gründete, die Hepatopathologie unterstützte und das Knochenregister, heute Knochentumor-Referenzzentrum initiierte. Auch wenn er selber lieber ein histologisches Präparat einer Autopsie bzw. eines grösseren Operationspräparates anschaute, war er fasziniert von den Möglichkeiten, klinisch relevante Diagnosen an kleinsten Biopsien unter Einsatz aller neuen morphologischen Techniken stellen zu können.

Zur Zytopathologie hatte er allerdings ein ambivalentes Verhältnis. Einerseits las er alles über die zytopathologische Diagnostik, andererseits lehnte er die Möglichkeit zytopathologisch ein Karzinom diagnostizieren zu können, rundheraus ab. Da jedoch andere Pathologie-Institute in der Schweiz eine Zytologische Abteilung hatten, sah er sich genötigt, es ihnen gleich zu tun. Deshalb gründete auch er eine Zytologische Abteilung. Die Leitung der Abteilung übertrug er dem ihm aus Freiburg bekannten Lungenpathologen Peter Dalquen. Dalquens Bücher über die Zytopathologie haben später wesentlich zum Ansehen dieser Disziplin beigetragen.

Das Institut zog zahlreiche Besucher an und seine Funktionalität und Organisation wurden national und international gelobt. Ein amerikanischer Pathologe hat in einer Publikation von dem am besten organisierten Institut weltweit gesprochen.

Über Zollingers Engagement in der Dienstleistung darf sein Interesse für Forschung und Lehre nicht vergessen werden. Mindestens einmal pro Woche wurde nach dem Stand der Forschung gefragt. In der Lehre war er allen neuen Entwicklungen gegenüber aufgeschlossen. Er gehörte zu den Pionieren der audiovisuellen Kurse. Er publizierte einen programmierten Histopathologiekurs. Er war ein begeisterter und begeisternder Lehrer, auch wenn dies die Studenten oft erst nach dem Staatsexamen realisierten. Diese Begeisterung hat auf Hanspeter Rohr abgefärbt, der für die Medizinische Fakultät eine vielfach mit Preisen ausgezeichnete Mediothek mit computerbasierten Lehrmitteln neben Tonbildschauen und Lehrfilmen aufbaute.

Berühmt (bei Studenten) und berüchtigt (bei Kollegen) waren seine Thieme Taschenbücher über die Allgemeine und Spezielle Pathologie, die im Telegrammstil über die wichtigsten Fakten informierten. Sie wurden nicht nur von Studenten gelesen, sondern auch Kollegen konsultierten die blauen Bücher (allerdings nur bei geschlossener Tür). Die „Blauen Bücher“ wurden in viele Sprachen inkl. ins Japanische übersetzt und werden heute noch bei ebay angeboten.

Viele Nierenerkrankungen wurden von Zollinger erstmals beschrieben u.a. die Phenacetin-Niere (Analgetikanephropathie), die jahrzehntelang zu den wichtigsten Nierenerkrankungen in der Schweiz gehörte. Ein jahrzehntelanger Missbrauch Phenacetin-haltiger Mischanalgetika führte zur Zerstörung der Nierenpapillen und damit zum Funktionsverlust der Niere. Die Schmerzmittel wurden gerne von Uhrenarbeiterinnen und überlasteten Hausfrauen eingenommen, weil sie frisch und eine ruhige Hand machten.

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Klassische Phenacetinniere, Frau 47 J. Dia aus dem Jahre 1953.

Sein Handbuch "Niere und ableitende Harnwege" (Springer Verlag, 1966) war für Jahrzehnte das Standardwerk der Nierenpathologie. Seine besondere Liebe galt der Elektronennmikroskopie der Niere, besonders der Nierentransplantate. Er beschrieb 1973 die Transplantatglomerulopathie, die heute zu den diagnostisch und prognostisch wichtigsten Befunden der sogenannt chronischen Abstossung zählt.

Seine jahrzehntelange Erfahrung versammelte er in dem Buch "Renal Pathology in Biopsy" zusammen mit dem Ko-Autor Michael J. Mihatsch. Das Buch wurde 1978 publiziert und vom Springer Verlag als Softcover, Reprint of the original 1st ed. 1978 Edition 2011 erneut herausgegeben. Das Buch wird heute noch von Nierenpathologen konsultiert besonders wegen der elektronen-mikroskopischen Abbildungen. Der bedeutende französische Nephrologe François Richet sagte einmal von ihm, "alles, was Zollinger beschrieben hat, ist wahr". Ein grösseres Lob kann man als Wissenschaftler nicht bekommen. Ein Pathologe ist ehrlich — "wir machen Fehler und stehen dazu". Rössle sagte "ein Pathologe muss saubere Füsse haben" — will sagen: "begangene Fehler dürfen nicht vertuscht oder unter den Tisch gewischt werden». Hätte Zollinger Rössle gekannt, wären sie allein schon deshalb Freunde geworden. In die Amtszeit Zollingers fällt auch die Gründung des Instituts für Pathologie Basel-Landschaft in Liestal (1970). Eine unglückliche interkantonale Entwicklung in der Gesundheitspolitik hatte den Auf- und Ausbau medizinischer Einrichtungen in Basel-Landschaft provoziert. In diesem Zusammenhang war es jedoch folgerichtig auch ein Institut für Pathologie in Basel-Landschaft zu gründen. Die Leitung übernahm Prof. Siegfried Scheidegger.