(*1897–†1974)
Der Basler Andreas Werthemann widmete sich in seinem Medizinstudium in Basel, Genf und Zürich besonders der Pathologischen Anatomie. Werthemann hatte seine Ausbildung zum Pathologen bei Rössle gemacht. Werthemann war wie sein Vorgänger aber im Gegensatz zu Rössle Mitglied der NSDAP. Diese Tatsache war offenbar im Institut nicht bekannt. Andere Schweizer Pathologen, die Mitglieder der NSDAP waren: sind Ambrosius von Albertini und Ernst Christoph Hedinger.
1924 wurde er Prosektor und habilitierte sich. 1931 wurde er unter Gerlach Abteilungsleiter, 1934 ausserordentlicher Professor. 1937 wurde er als zweiter Basler zum Nachfolger Gerlachs gewählt. 30 Jahre, bis 1967, leitete er das Institut für Pathologie. Rektor war er in den Jahren 1957 und 1959.
Er war einer der Wegbereiter der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften und ihr erster Präsident von 1968 bis 1972.
Werthemann hatte den Übernamen «Wärze». Heute noch erzählen die Alumni im Gespräch mit dem Verfasser: Ich habe noch bei «Wärze studiert».
Als Urbasler galt seine Liebe dem Zunftleben, der Musik – lange war er der einzige Basler, der ein Cembalo besass – und seiner Pathologie. Viele Jahre präsidierte er die Basler Allgemeine Musikgesellschaft AMG. Er war es auch, der Lilien auf dem Grab des in Basel jung verstorbenen Dichters Wolfgang Borchert niederlegte.
Die gesamte Amtszeit Werthemanns war geprägt durch die grosse Bedeutung, die er der Dienstleistung in der Pathologie beimass. Das Wort Routine erregte sein Unbehagen. In seiner Abschiedsvorlesung sagte er: «Unter Routinearbeit versteht man eine stumpfsinnige, langweilige, untergeordnete Förderbandarbeit, für welche ein 8-Stunden-Tag schon zu viel ist. Spricht man von einer Arbeit als Routinearbeit, dann wird man sie bewusst oder unbewusst deklassieren. Man wird einer anderen Betätigung den Vorzug geben wollen.»
Sein wissenschaftliches Interesse galt den Missbildungen. Allein 20 Publikationen hat er diversen Aspekten der Missbildungen und ihrer Ursachen gewidmet. Er hat als erster in der Schweiz experimentelle Untersuchungen über das Entstehen von Missbildungen unter besonderer Berücksichtigung von Umweltfaktoren angestellt. Im Verlauf der Thalidomid- (Contergan-) Katastrophe war er ein ausserordentlich gefragter Experte und Berater.
Werthemann glaubte seine grösste wissenschaftliche Leistung sei die Identifizierung des Schädels von Erasmus von Rotterdam (Desiderius Erasmus von Rotterdam, geboren 1466, gestorben 1536 in Basel, bedeutender holländischer Humanist und Theologe). Doch sie erwies sich nach dem Tod Werthemanns als Fehlinterpretation.
Die von Werthemann angewandte Technik, das Schädelskelett in Abbildungen von Erasmus zu projizieren, kann als Vorläufer der heute in der Rechtsmedizin vielfach eingesetzten Computer–assistierten Gesichtsrekonstruktion angesehen werden.Erasmus von Rotterdam (Siegfried Scheidegger bezweifelte stets, dass es sich um den Schädel von Erasmus handelte. Tatsächlich wurde der Schädel bei den Ausgrabungen versehentlich zerstört.)
In einer Schnitzelbangg ein Jahr nach der Brandkatastrophe im Industriegebiet «Schweizerhallen» (1986) heisst es:
Wenn het der Erasmus, die armi Moore,
Wie und wo der Kopf verloore?
Bi andere waiss me das doch au,
Bim Striebel uff e Daag genau!
Stachelbeeri 1987
Seine grösste Leistung bestand in der Förderung junger Ärzte und der Spezialisierung in der Pathologie: seine wichtigsten Schüler und Mitarbeiter waren:
- Alfred Studer, der ab 1955 Leiter der Abteilung für experimentelle Medizin der Firma Hoffmann–La Roche Basel war,
- Frédéric Roulet (bis 1955),
- Friedrich Gloor (bis 1970),
- William Meier-Ruge (bis 1970).
- Siegfried Scheidegger war auch ein Schüler Werthemanns.